9 - Skyborg

SKYBORG
von Sophie Reyer
Ein Theaterpoem mit imaginären Bühnenbildern von Harald Häuser
ein on-line "Theaterbesuch"
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Sie fliegen.

11. Kampf mit der Queen


Dr. Dad: Unglaublich.
Die Welt ist eine Stadt geworden, die stumm ist.
Da Unten, schau, die Menschen.
Es sind weiße Lappen vor den Mündern. Es ist eine Milchhaut.
Es sind Pilze, die alle essen müssen.
Es sind abgebundene Lippen. Sind Lippen in Laken, in Leinen.
Es sind Kinderlippen in Leichentüchern.
Es ist eine Lüge.
Es wird totgeschwiegen.
Es sind verfallene Wolkenkratzer.
Es ist eine Glücksinsel, sagt man.
Es ist ein Mann, der auf einem Fahrrad umher fährt, seine Frau zu suchen.
Es ist ein Kaninchen, ohne Ohren geboren.
Es ist Strahlen, Erbrochenes, ausgestorbene Straßentrümmer.
Es sind Gesichter von Menschen, Lappen vorm Mund, die Schlitze der Augen: Schauen, schauen.
Es sind Großstadtgerippe.
Es sind keine Worte darüber.
Es ist ein weißes Tuch im Gesicht.
Es sind verbundene Lippen.
Es sind keine Schlagzeilen mehr.
Es gibt keine Sprache dagegen.
Es wird totgeschwiegen.
Siehst du?


Skyborg will antworten, windet sich aber auf einmal.


Dr. Dad: Was ist?


Skyborg: Scheiße. Die Queen loggt sich in mein System ein.


Dr. Dad: Das sind die Radiowellen.
Die hab ich selbst programmiert.
Für sie.
Damals.
Du musst nur Höher fliegen.
Wirklich.
Dann sind die weg.


Mina Minotaura: Sie sind ein guter Wissenschafter.
Zwingen sie mich nicht, sie auszulöschen.


Dr. Dad: Die Technik ist nicht das Problem sondern die Gesellschaft!
Sie sind das Problem, Mina. Und was sie mit der Technik machen.
Steig höher, Skyborg, fly.


Mina Minotaura: Ach?

Dr. Dad: Ich liebe Skyborg.
Es ist mein schönstes Kind.
Es ist ein Kind wie ein Strom.
Es treibt in sich selbst als Floss.
Es zeichnet Arabesquen in die Luft.
Es spielt die Rituale der Alten nach.
Es hat keine Sprache, nur die Wolfsgebärden sind angeboren.
Dieses Sich- Wiegen mit dem Kind.
Fundkind, kann nicht kauen.
Kann nur kriechen.
Es ist sich selbst abhanden gekommen.
Es wird von der Welt besessen.
Ein Kuchen muss gestreichelt werden.
Die eigenen Hände kann man essen.
Die Anordnung der Eicheln unter dem Baum wird jahrelang im Gehirn gespeichert.
Die Dinge sprechen, die Menschen sind Störenfriede in einer Landschaft aus
Strukturen, Anordnungen, Kaleidoskopen aus Welt.
Der Rhythmus ist die einzige Sicherheit: Einatmen, ausatmen.

Mina: Sie reden im Wahn. Die Luft hat ihren Gehirnwindungen den Sauerstoff entzogen.

Dr. Dad: Das ist mir egal.
Die Skyborgs.
Sie sind von einer verlorenen Art.
Sie stehen auf einer Wiese und drehen sich, drehen sich, aber was dreht sich.
Es dreht sich.
Sie drehen sich um einen Mittelpunkt herum, den sie nicht haben.
Es kauert keine Sprache in ihnen.
Es sitzt kein Herz an einem rechten Fleck.
Der Kopf wird gegen die Wand gehämmert.
Härte fühlen: Das ist der einzige Kontakt.
Es gibt keinen Dialog.
Es gibt die Strukturen in der Rinde, von denen sie nicht zu trennen sind.
Dieses wiederholte sich Hin- und Herwiegen mit dem Wind.
Ein Brotlaib wird gestreichelt als wär er ein Tier.
Sie trommeln gegen den Boden, um die Wette mit ihrem eigenen Herschlag, der nicht da ist.
Also: schon da, aber nicht da.
Loch in der Mitte, um das sich die Welt dreht.
Sie sind Kinder wie Wind.
Und sind die Tropfen, die in ihm umher gepeitscht werden.
Gepeitscht sind sie, ja, diese Kinder.
Sie sind Kinder als Ströme, als in sich selbst treibende Flösse.
Kinder als Licht.
Sind Kinder aus Luft.
Am Leben sein: Das ist eine Gebärde.
Fütter den Stein.
Sprich mit deiner Hand.
Schlaf mit dem Meer.
Iss die Morgensonne auf.
Wer muss kauen lernen.
Wer muss gehen lernen.
Wer braucht eine Sprache.
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