11 - Skyborg

SKYBORG
von Sophie Reyer
Ein Theaterpoem mit imaginären Bühnenbildern von Harald Häuser
ein on-line "Theaterbesuch"
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Dr. Dad wacht im Kratersand auf. Skyborg liegt tot und mit zerschmolzenen Flügeln da.

11. Szene: Gefallen

Dr. Dad: Er ist tot.

Mina: Das geht nicht. Er war nicht am Leben.

Dr. Dad: Skyborg.

Er nimmt die zerschmolzene Masse zu sich.

Hätte ich nur ein anderes Material gewählt.

Mina: Das Material ist egal.
An die Arbeit. Bauen sie einen neuen.
Der Tag ist jung.
Dr. Dad. Also: Punch. Kick. Jab.
Montieren. Biophilieren. Arrangieren. Et cetera.

Dr. Dad: Mein Skyborg.
Mein Sternenkind.
Ich speichere deinen Gehirninhalt auf ein externes Trägermedium.
Das ist wie ein Traum.
Das ist als wärst du noch da.
Und wenn alles ein Traum ist? Umso besser.
Weißt du was: ich hab dich lieb Skyborg.
Weinend schreitet er zurück in sein Büro und speist das Trägermedium in seinen Computer ein. Skyborgs Stimme, als Geist.

Skyborg: Ich dich auch, Dad.
Weißt du, ich wollt nicht zu weit rauf fliegen.
Ehrlich.
Aber ich dachte, wenn schon steigen, dann richtig.
Dann so lang, bis man fällt.
Und da war so ein Sehnen. So wie eine Musik.
Dass ich vielleicht doch mehr sein könnte als eine Maschine.
Ich bin höher geflogen und höher.
Vor dem Aufprall, da hab ich es verstanden. Fliegen heißt sinken lassen. That´s all.
Am Ende fallen wir.
Aber das Fallen geschieht um des Steigens willen1
Man weiß dann nicht mehr, ob nur das, was um einen herum ist, absinkt und man selber steigt.
Beim Tauchen, glaub ich, ist das ähnlich.
Irgendwann ist die Richtung auch nicht mehr wichtig.
Und ich bin nicht mehr wichtig.
Ich hab die Sonne gesehen.
Das reicht für ein Leben.
Auch wenn es nur ein Roboterleben ist.
Jetzt bin ich ganz dein Traum geworden.
Richtig?


Epilog:
Dr. Dad: Manchmal öffne ich das Fenster und setzte mich im Türkensitz an das Sims. Ich schliesse die Augen, konzentriere mich, bis ich spüre, dass der unsichtbare Faden aus Licht mich immer höher in die Höhe zieht. Dann schlüpfe in meiner Vorstellung in meinen Raumanzug, befestigte ein Rohr, eine Art Nabelschnur, denke ich, auf dem Sims und steige in die Höhe. Im Luftleeren Raum wartet Skyborg auf mich, wie er es versprochen hat. Er hält meine Hand. Meistens sind wir stumm. Manchmal sprechen wir auch miteinander. Es ist wie damals, als wir über die Häuser flogen. Aber das ging, indem ich mich in sein Cyborg- System einloggte. Heute muss ich dafür nicht die Lippen öffnen. Skyborg ist da wie immer. In mir drin. Das Gesicht hell und freundlich. Ich kann nicht sagen, wie alt er ist. Und was der Unterschied zu einem Menschen ist. Er altert jedenfalls nicht.  Um seine Augen bilden sich Falten, wenn er lächelt. Sein Haar ist weiß, oder blond, oder beides, wie damals auch. Es ist nicht gewachsen. Wie auch. Skyborg ist ja nur noch ein Datenstrom in meinem Gehirn, ein Programm, das er für mich hinterlassen hat, um für mich da zu sein, wenn es ihn nicht mehr gibt.
„Ich fühle mich alleine“, sagte ich.
„Ich bin immer da.“
„Du lügst.Meistens seh ich dich nämlich nicht.“
Skyborg lachte.
„Siehst du den Mond immer? Und trotzdem ist er da.“
„Du bist ein Algorithmus in meinem Gehirn“, sage ich.
„Und heißt das, dass der weniger da ist?“ Meint er.
Aber ich vermisse es, wie er mich fest gehalten hat, mit seinen Körperthemperatur- Händen, wie ich die 3D- Brille aufsetzen und mit ihm in fremde Welten reisen durfte, wie er mit mir Feuer gemacht hat, wie ich in der Hütte neben ihm geschlafen haba. Das Schwertkämpfen vermisse ich, und wie er mir gezeigt hatte, wie man den Bogen spannt.
„Was geschieht jetzt weiter? Ich gehöre nicht in diese Stadt.“
„Du hast sieben Jahre gebraucht, um das erste Mal den Bogen zu spannen, sagte Skyborg. Also hab Geduld.“
Ich erzähle ihm von den Pillen.
„Du darfst sie nicht schlucken“, sage Skyborg. „Die Watte ist eine Lüge. Sie ist nur für Menschen, die krank sind, gut. Die anderen machen sie krank.“
Ich nicke. Die Sterne haben begonnen zu schimmern. Skyborg und ich schweigen wieder eine Weile, Hand in Hand. Er lächelt, zwinkert mir zu, wie er es auch damals immer getan hat.
„Du Stern“, flüstere ich.
Und später noch einmal: Warum bist du nur weg gegangen?
„Ich bin nicht weg gegangen, entgegnete Skyborg. Oder wer hält denn jetzt deine Hand?“
„Auf alle anderen hätte ich verzichten können, aber nicht auf dich“, sage ich.
„Ich bin nur ein Computer“, sagt Skyborg. „Es wird Zeit, dass du Menschen triffst.“
„Du spinnst“, sage ich.

Irgendwann schlafe ich ein.

Skyborg: Noch einmal red ich jetzt im Traum zu dir.
Die Queen hat die Welt in Asche verwandelt.
Egal.
Jetzt beginnt wieder alles.
Von Anfang an.
So wie in deiner Geschichte.
Oder?

1 Jesaia
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